ADD-ON Fußball
35 Schalke 04 Kaderplaner Ben Manga hat ehrgeizige Ziele mit dem FC Schalke 04. Er wünscht sich einen neuen Fußball für S04. Seine genauen Vorstellungen erklärt er im exklusiven Interview mit unseren Schalke-Reportern. Foto: UNKE Foto Services Tim Rehbein und darauf reduziert, dass ich in gewissen Punkten anders bin als viele Deutsche. Ich bin schwarz, klein, habe einen Sprachfehler (er stottert, Anmerkung der Redaktion) und oft gehört: „Ben Manga wird nie bei den Gro- ßen mitspielen.“ Diese Vorurteile haben mich extrem motiviert. Ich wollte es allen beweisen und bin jetzt der erste Schwarze, der im deutschen Profifußball in solch einer wichtigen Position arbeiten darf. Auf dem Weg dorthin war mir kein Meter zu weit. Jahrelang habe ich auf Urlaub verzichtet und gearbeitet wie ein Wahnsinni- ger, um besser zu werden. Sie sind seit einigen Wochen auf Schalke und bekannt dafür, immer wieder Top-Talente zu finden. Was ist Ihr Geheimnis? Mein Scouting-Team! Ohne eine richtig gute Mannschaft hinter mir bin ich nichts. Ich kann nicht überall auf der Welt sein, daher brauche ich meine Vertrauten – und die habe ich seit rund zehn Jahren. Nur dank meiner Scouts konnten wir auf Schalke in sechs Wochen zehn Neuzugänge ho- len. Viele dieser Spieler hatten wir schon im Auge, als wir noch in Frankfurt oder Watford waren. Ich kann meine Scouts nicht ge- nug loben. Anerkennung fördert den Zusammenhalt, Menschen werden nicht nur durch Geld glücklich. Liest der Scout in Ar- gentinien, dass ich ihn für seine Entdeckung gelobt habe, zeigt das Wertschätzung. Statistiken sind in Ihrem Scouting- Ansatz weniger entscheidend als die Charaktere der Spieler. Welche Charaktereigenschaften sind für Schalke 04 unverzichtbar? Meinen Scouts habe ich gesagt: Auf Schalke wollen wir vom An- satz her einen Fußball sehen wie bei Atlético. Hinten kompromiss- los agieren und vorne Show, aber effektive Show. Atlético Madrid hat in der Abwehr gnadenlose Ty- pen wie Godín, Giménez, vorne Spieler wie Griezmann und Mora- ta, die kicken können. Auch wenn wir in der Zweiten Liga und nicht in der Champions League spielen: Für solch eine Idee braucht es die richtigen Spieler mit der passen- den Mentalität. Daten ergänzen unser Scouting. Mentalität ist nicht in Zahlen messbar. Völlig richtig. Wenn meine Scouts oder ich den Spieler dreimal gese- hen und mit ihm gesprochen ha- ben, analysieren wir auch seinen Charakter. Ein Beispiel: Wenn wir uns gegenübersitzen und er mir beim Gespräch nicht in die Au- gen schaut, werde ich skeptisch. Ich stelle Spielern oft auch Test- fragen, bei denen die Antworten entscheidend sind. Testfragen? Oft frage ich, was in einer Mann- schaft das Wichtigste ist. Es gibt tatsächlich Spieler, die sagen, ih- nen sei am wichtigsten, dass sie selbst glänzen. Manchen Spielern ist auch ein Abstieg egal, solange sie 18 Tore schießen. Für mich ist klar: Solche Jungs kann ich nicht gebrauchen. Viel kann man auch am Verhalten der Spieler nach Niederlagen lesen. Wie sieht ein Scouting-Bericht auf Schalke aus? Die Scouts schreiben zum Bei- spiel Texte zum Defensiv- und Offensivverhalten sowie zur Men- talität der Spieler. Wir versuchen auf alles zu achten, zum Beispiel, wie sich ein Spieler beim Warm- machen verhält. Kommt ein Spie- ler immer als Letztes raus und jongliert er am liebsten nur den Ball, werde ich skeptisch. Ist ein Spieler der Erste, der rauskommt, derjenige, der seine Kollegen heiß macht, dann denke ich mir: Er hat Bock und will nicht verlieren. Wir wollen Verhaltensmuster er- kennen. Deshalb sind wir schon eine Stunde vor dem Anpfiff auf der Tribüne. Vor Ihrer Schalke-Zeit haben Sie auch für den FC Watford in England gearbeitet. Sie wollten den Klub in die Premier League führen, haben für fünf Jahre unterschrieben. Was ist schief gelaufen? Der Besitzer von Watford hat ab- gesegnet, dass ich mein Team mit- bringe, damit ich etwas verändern kann. Als ich kam, war aber der vorherige Sportdirektor noch da – gegen unsere Absprache. Das hat nicht geklappt. Da ist es nur kon- sequent zu sagen: Dann bringt es nichts. Wir sind nicht im Streit ge- gangen. Auch auf Schalke haben Sie einen Sportdirektor vorgefunden. Wie haben Sie Marc Wilmots in Ihre Strukturen eingebaut? Marc hat seine Rolle, ich habe meine. Die sind vorab klar defi- niert worden, das ist der Unter- schied. Sie wollen auf Schalke den Atlé- tico-Madrid-Fußball sehen. Hat Trainer Karel Geraerts da Mitspra- cherecht? Natürlich sind wir mit unserem Trainer im Austausch. Grund- sätzlich ist es so – wenn es nicht um Pep Guardiola und zwei, drei andere Größen des Fußballs geht, die ihr System mitbringen –, dass der Verein die Philosophie vor- gibt. Und der Verein sucht den Trainer nach dieser Philosophie aus. Der Fußball, der zum Klassenerhalt geführt hat, war simpel: Mann- gegen-Mann-Verteidigung, lange Bälle. Trauen Sie Karel Geraerts zu, dass er der Mannschaft Ihren Wunschfußball näherbringt? Man sieht, dass wir nicht nur lan- ge Bälle spielen, sondern unter- schiedliche Spielzüge probieren. Die alte Taktik war den Umstän- den der vergangenen Saison ge- schuldet, das war gar nicht sein Ansatz. Ich habe Karel nach der Ausrichtung mit den langen Bäl- len gefragt – und er hat es mir erklärt. Ich habe ihm gesagt, wie ich mir Fußball vorstelle. Er sieht es genauso. Karel lässt anders trainieren als in der vergangenen Saison. Das sagen mir auch die Spieler. Scouten Sie auch Trainer? Das gehört zu meiner Aufgabe, ja. Man weiß im Fußball nie, was passiert. Was wäre gewesen, wenn Karel ein Top-Angebot eines ande- ren Vereins bekommen hätte? Es ist mein Job, mich mit möglichen Kandidaten zu treffen, ohne ihnen direkt etwas anzubieten. Ich frage sie, wie sie über Fußball denken. Aktuell ist Karel unser Trainer, wir sind zufrieden und arbeiten gut miteinander. Die Strukturen bei Schalke 04 sind voll auf Sie ausgerichtet, das Ver- trauen des Vorstands riesig. Das ist auch mit Risiko verbunden… Ich spüre das Vertrauen der Fans, des gesamten Vereins. Meine Truppe und ich werden alles, was wir haben, alles reinhauen, damit Schalke wieder erfolgreich wird. Ob es ein Risiko ist, auf mich zu setzen, müssen andere entschei- den. Ich glaube, dass ich in mei- ner Karriere das Vertrauen, das man mir entgegengebracht hat, immer zurückgegeben habe.
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